Samstag, 29. November 2014

Herr Jemand und ein Schlafsack voller Würde...!


Die Tage sind kürzer und ich besuchte eine Freundin. Später am Abend verließ ich das Haus in einer Berliner Seitenstraße.
Vor der Eingangstür des Altbaus lag quer ein Obdachloser, eingewickelt in einen Schlafsack.
Er hat den Türbereich sein Revier getauft. Ich komme so nicht aus dem Haus.
Freundlich frage ich, ob er mir ein wenig Platz machen könne. Er schreckte hoch und zog seine Beine an.
Es reichte um eine großen Schritt zu machen. Ich kletterte also über ihn hinweg, zaghaft.
Währenddessen sagte ich danke und meinte: „Ich wollte nicht auf sie treten, entschuldigen sie die Störung.“
Er guckte mich entsetzt an und stotterte: „So freundlich war schon lange keiner mehr zu mir, ich danke dir. Und danke das du nicht über mich gelaufen bist, wie es die meisten tun.“

 
In diesem Moment wurde mir schlagartig bewusst wie gut es mir doch geht. Wie fixiert ich bin auf mich, ohne wahrzunehmen was echte Probleme sind.
Diese Selbsterkenntnis ist nicht neu erfunden. Tausend Mal gehört, oft ähnliches passiert. Diese Art von Begegnung ist Alltag. In Deutschland. Auf der gesamten Welt.
Dagegen ist die Panik kein WLAN zu finden oder das im Supermarkt die laktosefreie Milch aus ist, so erbärmlich.
Ernüchtert gab ich dem Mann Geld. Was gibt man außer ein paar guten Worten, man beruhigt sein Gewissen mit Scheinen.
Oberflächlich, aber wenn es gut läuft kann er davon Essen kaufen.
Um es frei zu gestehen bin ich seitdem ratlos und frage mich, was man daraus lernen kann.
Morgen schon wieder vergessen! Morgen ein neues Schicksal gesehen auf den Straßen! Morgen weiter machen an der Optimierung seiner Luxusprobleme!
Wenn sich die Welt nicht retten lässt, dann aber Einzelne.
Rettet jeder von uns einen Einzelnen, die Summe daraus wird gigantisch.
Viele Leser dieser Zeilen werden nun schmunzeln, die Botschaft dahinter verspotten und weiter an ihrem Starbucks-Lebkuchen-Latte nippen.
Tagtäglich sind die Einzelschicksale rastlos unterwegs um zu überleben. Darüber stehen wir in warmen Mänteln und urteilen. Trösten uns mit dem Gedanken das dieser Herr Jemand vermutlich Alkoholiker ist und selbst daran Schuld an seiner Misere.

 
Herr Jemand wurde von der Gesellschaft zu einem Niemand maskiert, auch durch mich.
Ich nenne ihn Herr Jemand, da ich den Respekt vor einem Menschen nicht an seinem Burberry-Trenchcoat ausmache.
Herr Jemand wird morgen einen anderen Hauseingang besetzen.
Herr Jemand wird den Winter überstehen, denn seine Würde hält ihn dort warm, wo wir schon längst erfroren sind!

 
That´s all!


Luckenbill

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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