Die Tage sind kürzer und ich besuchte eine
Freundin. Später am Abend verließ ich das Haus in einer Berliner Seitenstraße.
Vor der Eingangstür des Altbaus lag quer
ein Obdachloser, eingewickelt in einen Schlafsack.
Er hat den Türbereich sein Revier getauft.
Ich komme so nicht aus dem Haus.
Freundlich frage ich, ob er mir ein wenig
Platz machen könne. Er schreckte hoch und zog seine Beine an.
Es reichte um eine großen Schritt zu
machen. Ich kletterte also über ihn hinweg, zaghaft.
Währenddessen sagte ich danke und meinte:
„Ich wollte nicht auf sie treten, entschuldigen sie die Störung.“
Er guckte mich entsetzt an und stotterte:
„So freundlich war schon lange keiner mehr zu mir, ich danke dir. Und danke das
du nicht über mich gelaufen bist, wie es die meisten tun.“
In diesem Moment wurde mir schlagartig
bewusst wie gut es mir doch geht. Wie fixiert ich bin auf mich, ohne
wahrzunehmen was echte Probleme sind.
Diese Selbsterkenntnis ist nicht neu
erfunden. Tausend Mal gehört, oft ähnliches passiert. Diese Art von Begegnung
ist Alltag. In Deutschland. Auf der gesamten Welt.
Dagegen ist die Panik kein WLAN zu finden
oder das im Supermarkt die laktosefreie Milch aus ist, so erbärmlich.
Ernüchtert gab ich dem Mann Geld. Was gibt
man außer ein paar guten Worten, man beruhigt sein Gewissen mit Scheinen.
Oberflächlich, aber wenn es gut läuft kann
er davon Essen kaufen.
Um es frei zu gestehen bin ich seitdem
ratlos und frage mich, was man daraus lernen kann.
Morgen schon wieder vergessen! Morgen ein
neues Schicksal gesehen auf den Straßen! Morgen weiter machen an der
Optimierung seiner Luxusprobleme!
Wenn sich die Welt nicht retten lässt,
dann aber Einzelne.
Rettet jeder von uns einen Einzelnen, die
Summe daraus wird gigantisch.
Viele Leser dieser Zeilen werden nun
schmunzeln, die Botschaft dahinter verspotten und weiter an ihrem
Starbucks-Lebkuchen-Latte nippen.
Tagtäglich sind die Einzelschicksale
rastlos unterwegs um zu überleben. Darüber stehen wir in warmen Mänteln und
urteilen. Trösten uns mit dem Gedanken das dieser Herr Jemand vermutlich
Alkoholiker ist und selbst daran Schuld an seiner Misere.
Herr Jemand wurde von der Gesellschaft zu
einem Niemand maskiert, auch durch mich.
Ich nenne ihn Herr Jemand, da ich den
Respekt vor einem Menschen nicht an seinem Burberry-Trenchcoat ausmache.
Herr Jemand wird morgen einen anderen
Hauseingang besetzen.
Herr Jemand wird den Winter überstehen, denn seine Würde
hält ihn dort warm, wo wir schon längst erfroren sind!
That´s all!
Luckenbill